Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung. - Heinrich Heine
Ruhe zieht das Leben an, Unruhe verscheucht es. - Gottfried Keller
Ich bin im Winterschlaf. Ich sollte im Winterschlaf sein, hat man mir gesagt. Ich spüre auch, ich wäre gern im Winterschlaf, aber ich kann nicht schlafen. Ich laufe herum, oft nur geistig. In allen Ecken und Winkeln meines Gehirns ist Aktivität. Es will so viel. Meine Träume. Laut. Bunt. Verwirrend.
Es gibt Zeiten des Ausweitens und Zeiten des Zusammenziehens. So viel zieht gerade zusammen, komprimiert. Der Virus und seine Auswirkungen. Der Winter. Dann oft noch zusätzlich Alltägliches, Zyklisches, Momentanes. Und anstatt, dass ich all das annehme und mich mit gutem Gefühl in meinen Winterschlaf begebe, kämpfe ich jeden Tag an. Die Energie schwindet mehr und mehr. Wer gibt mir die Erlaubnis, nach meinen natürlichen Reaktionen auf die Um- und Innenwelt zu leben? Weg vom Fenster. Sorge und Angst. Ich muss leisten. Ich muss da sein. Immer. Es könnte jeder Moment DER Moment sein, in dem die Chance kommt. Man sagt mir, ich kann nichts versäumen, das Leben hält das für mich bereit, was kommen soll. Was ist, wenn ich es aber gleich will? Nicht warten will? Meine Erfahrung zeigt mir, dass es dann auch nicht schneller geht. Nur energieraubender und mit Nackenschmerzen verbunden. Loslassen. Sein lassen. Mich lassen. Sein. Winterschlaf.
Was tut man als Mensch im Winterschlaf? Weniger. Liebevoller. Bedächtiger. Ruhiger. Sanfter. So ein leichtes wohliges Lächeln. Dicke Socken. Tee. Noch mehr Tee. Kekse. Zusammenkuscheln. Auch wenn nur gerade ich da bin. Dann halt mit mir. Gerade mit mir. Vor allem mit mir. Mich lieben. Mich ernst nehmen, in allem was ich bin. Genauso annehmen, wie ich es tue, wenn ich voller Elan bin. Auch diese Zeit kommt wieder. Explosionen. Hochgefühle. Strahlkraft. … Jetzt – tanken. Winterschlaf. Wie schön. Darf ich bitte?
Wer soll es mir erlauben, wenn nicht ich. Winterschlaf heißt nicht tot sein. Oder resignieren. Nur der aktuellen Zeit ihre Qualität zusprechen. Die Auswirkung auf meine Wesentlichkeit achten. Vielleicht sogar umarmen. Und ich lächle in mir selbst verschlungen und bin ab jetzt sofort im Winterschlaf.
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